Bericht der BILD-Zeitung über den Demjanjuk-Prozess, 14.04.2011

Demjanjuk-Prozess

Eklat im Gericht nach Geburtstags-Lied

Artikel von: OLIVER GROTHMANN veröffentlicht am 14.04.2011 – 00:26 Uhr

KZ-Scherge John Demjanjuk spielt vor Gericht jedes Mal den Kranken. Alles billiges Schmierentheater: Ist er im Knast, singt er und ist fröhlich.

München – Viele Tränen, ergreifende Worte und wieder mal ein Eklat: Gestern beim Prozess gegen KZ-Scherge John Demjanjuk (91) sprachen die Opfer und Hinterbliebenen des Nazi-Terrors vor Gericht.

Unvorstellbare Schicksale, die sprachlos machen: Martin Haas (74) verlor im KZ Sobibor 1943 seine Mutter und zwei Geschwister. „Meine Familie wurde bestialisch ermordet in dieser abscheulichen Mordmaschine. John Demjanjuk: Wir haben gehofft, dass Sie sich entschuldigen. Sie sind ein rassistischer Schurke, ein Feigling, ein williger Henker der SS. Ihr Basecap und ihre Sonnenbrille können Sie nicht vor ihren Verbrechen abschirmen.“

Opfer-Angehörige stehen betroffen auf und umarmen Martin Haas. Mary Richheimer- Leijden van Amstel (70), deren Familie grausam vergast wurde, sagt mit leiser Stimme: „Ich hoffe, dass meine Eltern und Großeltern stolz auf mich herab schauen und wissen, dass ich etwas für sie tue.“ Einige Zuhörer weinen, im Saal ist kein Wort zu hören…

Dafür geht es in einer Pause im Gerichtsgang turbulent zu – es gibt einen Eklat. Als KZ-Scherge Demjanjuk im Rollstuhl aus der Toilette kommt, wartet die Frau seines Anwalts Ulrich Busch auf ihn. Sie schüttelt ihm die Hand und singt vor den Augen der Überlebenden des Holocaust ein Geburtstagsständchen auf ukrainisch. Grund: Demjanjuk feierte am 3. April in U-Haft seinen 91. Geburtstag.

Die Angehörigen der KZ-Opfer sind erschüttert über so wenig Mitgefühl. Doch die Frau singt unbeirrt weiter, einige Nebenkläger kämpfen mit den Tränen. Als Krönung der bizarren Vorstellung schenkt die Anwalts-Gemahlin dem KZ Schergen einen Osterhasen aus Schokolade. Heute geht der Prozess weiter.